D-Rapper::
Bushido-Sonny Black 2014 [Alben] Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet. Statt seiner
Diskographie ein weiteres Bushido-Solo hinzuzufügen oder das viel
diskutierte "CCN 3″ zu veröffentlichen, kombiniert der EGJ-Rapper
kurzerhand beides und kramt so für Februar 2014 sein Alter Ego Sonny
Black wieder hervor. Doch wieso eigentlich?
Ein Aufschrei ging durch die Medienlandschaft! Der Burda-Verlag hatte beschlossen, den Bambi für Integration an keinen geringeren als Bushido
zu verleihen. Welch ein Skandal! Schnell wurden Argumente rangekarrt,
die man dem Rüpel-Rapper entgegenhalten konnte. Frauenfeindlich soll er
sein, schwulenfeindlich ebenso. Dass die zitierten Text-Passagen,
die benutzt wurden, um die Argumente zu untermauern – man ist ja
vorbereitet, klar -, allesamt bereits etliche Jahre auf dem Buckel
hatten und es Stellungnahmen in Hülle und Fülle zu ihnen gibt, das alles
also schon mehrfach durchgekaut und dabei auch vielfach entkräftet
wurde, wurde gekonnt ignoriert. Doch irgendwie musste man die emotionale
Abwehrreaktion, die die Bambi-Vergabe auslöste, schließlich rationalisieren und legitimieren.
Eine Art Echo dieses Aufschreis hallte nur kurze Zeit später durch die Medien-Landschaft, als Bushido mit seinem CDU-Praktikum für Schlagzeilen sorgte. Das darf doch wohl nicht wahr sein, dass so einer jetzt auch noch im Bundestag
sitzen darf! Der, der doch ständig mit den Gesetzen aneckt, die genau
dort ausgetüftelt werden. Wie kann es sein, dass so einer in genau diese
Welt, mit der er doch immer wieder in Konflikt gerät, hineinschnuppern
will und sie sich von den Ortskundigen dort – namentlich Christian von Stetten – zeigen und erklären lässt? Wie kann es sein, dass er nicht laut "Schwuchtel” und "Nutte” schreit, sondern sich stattdessen brav und ruhig dort hinsetzt und sich in die Welt der Politiker, nunja, integriert?
Da wirkte die Titelstory des Stern doch schon fast
beruhigend – auch wenn der Inhalt eigentlich ganz und gar beunruhigend
sein sollte. Die Existenz von mafiösen Strukturen in Deutschland dürfte
für den Otto Normalverbraucher tatsächlich Neuland gewesen sein. Dass Bushido
jedoch in irgendeiner Art und Weise darin verwickelt ist, rückte sein
Weltbild wieder ein Stückchen gerade. Hat er also doch Dreck am Stecken!
War doch klar, dass man dem nicht trauen kann! Während man also jedes "Tunte” und "Hure” in den Texten für bare Münze nehmen und Bushido
einen Strick daraus drehen wollte, wurde der ebenfalls in den Texten
vielfach beschworene Gangsta-Hintergrund leichtfertig als
realitätsfernes Macho-Gehabe abgetan. Das Verhältnis zwischen
Privatperson und Kunstfigur wurde stets gedreht, wie man es gerade
brauchte.
Schon kurze Zeit später drehte der Wind sich nämlich wieder. Seinen
vorläufigen Höhepunkt fand das ganze Spektakel mit der Veröffentlichung
des Videos zu "Stress ohne Grund”, in dem Bushido
gleich mehrere Personen des öffentlichen Lebens, darunter auch diverse
Politiker, verbal attackierte. Im Handumdrehen wurde der Künstler wieder
auf die Privatperson reduziert, sämtliche Stilmittel wurden
ausgeblendet und die betreffenden 16 Zeilen mit einer Ernsthaftigkeit
analysiert, als handle es sich hier um ein Bekennerschreiben und nicht
um einen Liedtext.
Da bestand natürlich Handlungsbedarf. Die Betroffenen durften so
etwas nicht einfach auf sich sitzen lassen und konnten diese Chance
nebenbei noch dazu nutzen, um sich als Held des Volkes aufzuspielen, der
dem Rüpel-Rapper Einhalt gebietet – auf ganz legalem
Rechtsweg, natürlich. Ironischerweise wurden die Beteiligten hier Opfer
der eigenen Gesetze, zu einer Gerichtsverhandlung kam es erst gar nicht.
Bushido hatte mit seinem Songs nicht etwa gegen das Gesetz verstoßen, nein – er wurde durch eben dieses sogar geschützt! "Stress ohne Grund” fiel, auch wenn die BpjM sogar ein Eilverfahren einleitete, unter die in diesem Zusammenhang schon oft diskutierte Kunstfreiheit.
Sorgte das ebenfalls vielfach besprochene Sommerloch noch dafür, dass sich der FOCUS sogar dazu hinreißen ließ, einen Disstrack gegen einen Redakteur der BILD-Zeitung zu veröffentlichen, schien nur kurze Zeit später der Bedarf an Themen auch ohne Bushido wieder gedeckt zu sein. Und das ausgerechnet jetzt! Genau da brachte der Berliner nämlich zum ersten Mal etwas Qualität und Inhalt in die vorangegangene Debatte. Gemeinsam mit Co-Autor Marcus Staiger veröffentlichte er das Buch "Auch wir sind Deutschland”, eine Art Gegenthese zu Sarrazins"Deutschland schafft sich ab”. Mit diesem Werk schien die Diskussion über den Integrations-Bambi und die Mafia-Gerüchte nun endlich auf fruchtbarem Boden fußen zu können. Dieses Buch sagte mehr über den Menschen Anis Mohamed Youssef Ferchichi aus als seine eigentliche Autobiografie. Viel mehr.
Das Medien-Interesse jedoch blieb äußerst verhalten. Dass Bushido
schon auf den ersten Seiten zugab, dass andere den Bambi viel eher
verdient hätten, war nirgends eine Erwähnung wert. Dass er sich mit
seinem Buch ganz offen für einen Dialog anbot, animierte niemanden dazu,
diesen mit ihm auch zu führen. Einzig und allein eine kleine Passage
über das Thema Homosexualität geisterte durch die Regenbogenpresse, in der sich Bushido bezeichnenderweise in genau jenem Lager verortete, zu welchem sich auch Angela Merkel kürzlich öffentlich bekannte (hier anschauen) – und was die Medien um einiges weniger interessierte. Gerade dieser Punkt sollte das CDU-Praktikum übrigens noch einmal in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Erschienen ist das Buch – Absicht oder Zufall? – am elften September. Ein Datum, mit welchem Bushido schon mehrfach liebäugelte. Zwar haben die Songs "Taliban” und "11. September” bereits ein paar Jährchen auf dem Buckel, doch rappte er erst kürzlich auf "N.W.A. 2.0″ über sein "Bin-Laden-Interview auf ORF” und fasste den irrsinnigen Wirbel um seine Person mit der Line "Selbst mein Bart provoziert”
recht treffsicher zusammen. Wie weit ist es denn gekommen, dass ein
langer, schwarzer Bart direkt mit einem Terroristen assoziiert wird? Bushido nimmt die Unterstellung dankbar an und setzt sich für das Vorab-Cover seines kommenden Albums noch einen Turban auf. Die Boulevard-Medien springen ebenso dankbar darauf an und bringen sogleich den Vorwurf der Salafisten-Zugehörigkeit hervor. Das Cover ist ja quasi schon ein Geständnis.
Während die Rap-Szene in Foren und anderen sozialen Netzwerken sich über einen dritten "CCN”-Teil und einen etwaigen Kollabo-Partner kaputt diskutierte, entstaubte Bushido sein Alter Ego Sonny Black kurzerhand, um damit im Alleingang auf den Putz zu hauen. "Verschont wird dieses Mal niemand mehr” ist der vorab veröffentlichten Tracklist auf iTunes zu entnehmen und auch auf Twitter deutete Bushido schon eine Art Rundumschlag an. Warm gerappt hatte er sich gute zehn Minuten lang mit unfreiwilliger Hilfe von Kay One. Fand dieser Schlagabtausch noch rapintern statt, ist schon bald mit einer Erweiterung der Kampfzone zu rechnen.
Noch vor wenigen Monaten wies Congo auf die Lebensumstände Bushidos hin, die "CCN 3″ doch eher unrealistisch machen würden. Tatsächlich: Bushido ist inzwischen verheiratet, mehrfacher Vater und baut sich eine Villa in Klein-Machnow,
einer – man kann schon sagen – Spießer-Gegend. Klingt eher, als würde
da jemand sesshaft und gelassen werden. In gewisser Weise steht jedoch
genau dieser Wandel im Zusammenhang mit der Wiederkehr des Sonny Black. Bushido
wollte ruhiger werden, wollte sich seinen einstigen Kritikern annähern,
er wollte mitspielen – und wurde immer und immer wieder abgelehnt. Angela Merkel
durfte, was er nicht durfte. Jeder andere Praktikant durfte, was er
nicht durfte. Grünen- und FDP-Politiker durften ihn beleidigen, er
durfte nicht mit Beleidigungen antworten. Als Bushido den Dialog anbot, wollte niemand mit ihm, sondern nur über ihn reden. Und die Bewohner von Klein-Machnow
äußern schon ihren Unmut über ihn, bevor er überhaupt eingezogen ist.
Die Brandstiftung in seiner Villa lässt einen sogar schon von Hass
sprechen.
Die Rückkehr des Alter Egos, das szeneintern mehr noch als der Name Bushido
mit harten Texten und ordentlich Krawall assoziiert wird, kann durchaus
als Trotz-Reaktion gewertet werden. Wenn er nicht mitspielen darf, dann
macht er zumindest den anderen ihr Spiel kaputt. Bushido
gibt den Leuten, was sie wollen. Und wenn er nunmal unwiderruflich als
Rüpel-Rapper und Stressmacher vom Dienst abgestempelt wurde, dann wird
er eben genau dieses Bild jetzt bestätigen und ganz gezielt ad absurdum
treiben. "Stress mit Grund”, wie es auf "N.W.A. 2.0″ heißt. Zu sagen hat Bushido nach diesem erlebnisreichen Jahr sicherlich mehr als genug.
Artist: Bushido
Album: Sonny Black
Label: Bushido (Sony Music)
Release Date: 2014
Genre: Rap
Encoder: LAME 3.98r
Bitrate: 241 kbps avg
Tracklist:
01 Fotzen
02 Jeder meiner Freunde
03 Haifisch
04 Mitten in der Nacht
05 Crackdealer Sound
06 Sporttasche
07 Osama Flow
08 Gangsta Rap Kings feat. Kollegah & Farid Bang
09 Messerstecherei
10 Blei-Patronen
11 John Wayne
12 Tausend Gründe
13 Baseballschläger
14 AMG feat. Shindy
15 Nie ein Rapper II
Box-Set Bonus Tracks:
16 Polizeigriff
17 Sturmmaske
18 Sonny